Wer eine Katze hat, kommt nicht darum herum, diese einmal jährlich zum Tierarzt zu bringen, ihre Gesundheit überprüfen zu lassen und dann gleich gegen die gängigen Katzenkrankheiten impfen zu lassen. Der vereinbarte Termin liegt jeweils wie ein Schatten auf meinem Gemüt. Denn Katzen haben sehr feine Antennen, mit denen sie Unausgesprochenes erspüren – und wehe, das Gefühl für Tierarzt schimmert dabei durch –
Genau deshalb steht der Transportkorb schon seit einigen Tagen bereit. Katze Chouchou soll sich an seinen Anblick gewöhnen. Jetzt, am vereinbarten Tag vermeide ich peinlichst den Blick darauf. Und weiter:
Ich denke nicht an Katze und Korb – nein, ich denke überhaupt nichts, - auf keinen Fall aber denke ich das Wort TIERARZT. Ich wiederhole Hauptstädte, rezitiere Gedichte…
Chouchou schläft derweilen ruhig auf meinem Lesestuhl…jetzt nur innerlich und äusserlich völlig NEUTRAL bleiben. Leise verlasse ich den Raum. Zu leise?
Ein nächster, diskreter Blick auf Chouchous Schlafplatz zeigt: Er ist LEER.
Wer bisher geglaubt hat, er kenne sein Haus, der lernt es in diesem Moment nochmals ganz neu kennen. Da gibt es im Wohnbereich Höhen und Tiefen, Höhlen und Löcher, von denen man bis jetzt keine Ahnung gehabt hat. Chouchou jedenfalls ist unauffindbar. Ich greife zur List. Sie wirkt eigentlich immer. Kühlschrank aufreissen, Kaffeerahmflasche öffnen, dass es knallt. Scheppernd eine Schale aus dem Gestell angeln, um zu zeigen, dass es mir mit der Belohnung ernst ist. - Es bleibt still.
Ich muss mich also auf die Suche machen. Chouchou ist nicht unter dem Bett, nicht unter dem Sofa und nicht hinter dem Klavier. Hier der Kasten ist ein wenig offen. Ich durchforste die unteren Tablare, zerre alles heraus, um sicher zu sein, dass sie sich nicht hinter einem Wäscheberg verkrochen hat. Ohne Erfolg. Vielleicht hat sie es ja ausnahmsweise höher hinaufgeschafft? War sie nicht einst zuoberst auf der Küchenkombination, einem knapp bemessenen Ort, der mir nicht im Traum als Katzenversteck in den Sinn gekommen wäre? Ich hole den Stuhl und steige hoch. Nein, keine Katze. Meine Nervosität steigt. Hockt sie etwa harmlos hinter einer Tür? Auch nicht. Vielleicht kommt mir der rettende Einfall, wenn ich zwischendurch etwas anderes mache.
Ich stelle mich vor den Spiegel und kämme mich. Dann will ich den Rollschrank zustossen. AUA! Da hockt sie ja, eng an die hintere Wand gepresst. Beinahe hätte ich sie zerdrückt. Niemals hätte ich gedacht, dass sie sich sooo klein machen kann. Und niemals könnte ich sie aus diesem Versteck herausholen. Ich behelfe mir mit Wasser. Sie schiesst unter dem Schrank hervor – und dann beginnt das leidige Rennen zwischen Katze und Mensch, bei dem der Mensch kaum je eine Chance hat.
Ich habe es schliesslich doch noch zum Tierarzt geschafft. Mein Arm ist aber von Chouchous ‚Liebesbeweisen‘ für längere Zeit gezeichnet...
Bei den verwendeten Bildern handelt es sich um Beispielbilder.